Lade-PV: Solarstrom für E-Lkw

784 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) wurden allein 2019 in der EU durch die Verbrennung von Kraftstoffen im Straßenverkehr ausgestoßen. Nach Informationen des Statistischen Bundesamtes in Berlin gehen davon 27 % auf das Konto schwerer Nutzfahrzeuge1). Auch angesichts der immer weiter steigenden Kraftstoffpreise besteht also dringender Handlungsbedarf. Ganz einfach ist das allerdings nicht: Während sich Politik und Fahrzeugindustrie bei den Pkw längst auf Elektromobilität geeinigt haben, hadert die Transportbranche noch mit dieser Technologie. Denn fehlende Infrastruktur und lange Ladezeiten erschweren bisher wirtschaftliche Transporte – erst recht im Fernverkehr. Angesichts der aktuellen Gasknappheit sind auch Übergangstechnologien wie CNG- und LNG-Motoren wenig attraktiv. Was also tun? Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat kürzlich einen Hoffnungsträger auf die Straße geschickt.

Strom aus eigener Herstellung

Seit Ende 2021 rollt ein elektrisch angetriebener 18-Tonner täglich im gewerblichen Verteilerbetrieb testhalber durch die Region rund ums deutsche Freiburg, der mit einer 3,5-kW-Peak-Photovoltaik-Anlage ausgestattet ist. Die fahrzeugintegrierte Hochvolt-Photovoltaik auf dem Dach des Aufbaus speist den produzierten Solarstrom direkt in die 800-Volt-Traktionsbatterie ein und kann damit 5 bis 10 % des gesamten Lkw-Energiebedarfs decken.

Die Idee ist simpel und bestechend: Wenn ein E-Truck seine Reichweite erhöhen will, muss er eben selber Strom produzieren. Die Umsetzung ist dagegen nicht ganz so simpel, denn PV-Module sind schwer und teuer. Daher galt das Hauptaugenmerk des Fraunhofer ISE der Entwicklung leichter, robuster Module, die vibrationsstabil, biegeresistent und auch nachträglich einfach zu montieren sind. Darüber hinaus sollte die spätere Serienfertigung einfach und wirtschaftlich möglich sein. Das alles ist gelungen: Im Vergleich zur Haus-Photovoltaik, die Dächer mit rund 13 kg/m2 belastet, wiegen die PV-Module für den Lkw-Einsatz maximal 2,6 kg/m2. Bei einer Fläche von 34 m2 auf dem Dach des Kofferaufbaus ließen sich damit rund 322 kg Gewicht einsparen. Auch serientaugliche Herstellungskosten unter 4 Euro pro Watt und 75 Euro pro Quadratmeter konnten realisiert werden.

Vielversprechendes Konzept

Unter dem Projektnamen „Lade-PV“ hat das Fraunhofer ISE gemeinsam mit Industriepartnern und dem Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI die optimierten PV-Module um passende Leistungselektronik ergänzt, via CAN-Bus in die Fahrzeugsteuerung eingebunden und mit einer sicheren Trennungsvorrichtung ausgestattet, die alle Hochvolt-Verbindungen im Fall eines Crashs innerhalb von Millisekunden kappt. Die gesammelten Erfahrungen mit Anbindungskonzept, Kabelmanagement und Integration der Leistungselektronik-Komponenten sind vielversprechend: Fahrzeugintegrierte Photovoltaik in dieser optimierten Form ist leichtgewichtig und wirtschaftlich in Serie herzustellen; Handling und Kompatibilität zu den Speditionsprozessen sind gut, die Stromerträge über die unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten hinweg vielversprechend. Noch bis Ende 2022 entstehen Konzepte für Fertigung und Zulieferindustrie sowie Kosten- und Rentabilitätsrechnungen, um die Möglichkeiten für die Serienumsetzung ganzheitlich bewerten zu können.

Attraktiv für E-Lkw und Verbrenner

Löst fahrzeugintegrierte Photovoltaik endlich alle Probleme auf dem Weg zur E-Spedition? Nein. Dazu reichen die aktuell machbaren Stromerträge von 5 bis 10 % des E-Truck-Gesamtbedarfs nicht aus. Dort, wo im kurzstreckigen Verteilerbetrieb ohnehin elektrische Nutzfahrzeuge unterwegs sind, kann das Onboard-Solarkraftwerk aber helfen, Energie und Kosten einzusparen und ein wenig autarker zu werden. Laut Fraunhofer ISE konnte das Testfahrzeug bei Fahrten in nördlichen Regionen wie rund ums schwedische Stockholm pro Jahr Energie für rund 2.600 km selbst produzieren, in Südspanien waren es sogar 4.600 km. Dort könnte sich ein Lkw mit integrierter PV-Anlage bei den aktuellen Preisen bereits nach vier Jahren amortisieren. Darüber hinaus können auch herkömmliche Verbrenner-Lkw von einer PV-Nachrüstung profitieren, die den zunehmenden Energiehunger der elektrischen Verbraucher von der integrierten Ladebordwand über die Klimaanlage bis zur Bord-IT stillen, Lichtmaschine und Batterien entlasten und damit Kraftstoff sparen helfen kann.

Und was jetzt? Kleiner Ausblick

Noch fahren EU-weit 96,5 % der Lkw im Fernverkehr mit fossilen Brennstoffen. Laut deutschem Klimaschutzgesetz müssen es 2030 nur noch maximal 66 % sein – ein Drittel aller Nutzfahrzeuge müssen dann elektrisch oder zumindest mit strombasierten Kraftstoffen, den sogenannten E-Fuels, betrieben werden. Höchste Zeit für jedes Straßentransportunternehmen, die Möglichkeiten zu prüfen und Alternativen zu testen, die zu den eigenen Aufgaben passen. Auch wir bei ULEX analysieren die Optionen akribisch und lassen Sie hier im News-Bereich an unseren Erkenntnissen teilhaben. In den nächsten Artikeln werden Sie mehr über Wasserstoff-Antriebe, über den Stand der Technik bei den E-Lkw und über vielversprechende Experimente wie Oberleitungs-Strecken für Lkw erfahren. Dranbleiben lohnt sich!

1) Laut Fraunhofer ISE, https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Umwelt-Energie/CO2_Strassenverkehr.html

Bild: © Frauenhofer ISE